Das Picknick hat eine Botschaft

Zum Jahrestag des Paneuropäischen Picknick vom 19. August 1989 organisierte die Paneuropabewegung eine Online-Diskussion mit Walburga Habsburg Douglas, Vizepräsidentin der Paneuropa-Union. Damals vertrat sie ihren Vater Otto von Habsburg, einer der beiden Schirmherren des Picknicks.

Das „Paneuropäische Picknick“ am 19. August 1989 an der österreichisch-ungarischen Grenze, an der alten Straße von St. Margarethen nach Ödenburg (Sopron), war ein historisches Ereignis. Historisch einerseits, weil es Teil der Geschichte ist, historisch aber auch deshalb, weil es die Geschichte Europas entscheidend verändert hat. Im Rahmen dieser Veranstaltung, die ursprünglich dazu gedacht war, dass Österreicher ohne weitere Einschränkungen zu einer Veranstaltung auf ungarischer Seite kommen könnten, kam es zur ersten Massenflucht aus dem damals noch existierenden Ostblock. Es waren Bürger der sogenannten DDR, die über Flugblätter und Mundpropaganda von der Veranstaltung erfahren hatten. Nach Ungarn konnten sie ohne große Probleme in den Urlaub fahren. Ungarn hatte bereits begonnen, den Eisernen Vorhang abzubauen, weil die Anlagen defekt waren. Das Geld für einen Neubau war dank der sozialistischen Politik nicht vorhanden. Dazu kam das Bild von der Zaundurchschneidung durch die beiden Außenminister Alois Mock (Österreich) und Gyula Horn (Ungarn). Diese Nachricht hatte sich bis in den Osten Deutschlands herumgesprochen. Sie nährte die Hoffnung auf eine Flucht in die Freiheit über das Urlaubsland Ungarn. 661 Bürgern der sogenannten DDR gelang damals der Weg in die Freiheit. Noch einmal wurde danach die Grenze geschlossen, bis sie am 10. September 1989 endgültig geöffnet wurde. Erst 31 Jahre später führte die Corona-Pandemie zu einer erneuten Grenzschließung.

Die Paneuropabewegung Österreich war damals durch ihren früheren Präsidenten Vinzenz von Liechtenstein, sowie den damaligen Landesvorsitzenden der Paneuropabewegung Niederösterreich Klaus Lange vertreten. Otto von Habsburg war gemeinsam mit dem ungarischen Staatsminister Imre Pozsgay Schirmherr des Picknicks. Beide kamen aber nicht persönlich zu der Veranstaltung, sondern schickten Vertreter.

Unter Federführung des europäischen Weinritterordens Ordo Equestris Vini Europae gedenkt die Paneuropabewegung Österreich jedes Jahr am 19. August dieses historischen Ereignisses. In diesem Jahr wurde der Gedenktag durch eine Feierstunde am Europatisch vor dem Landhaus in Eisenstadt bereichert. Die Veranstaltung findet normalerweise am Europatag, am 9. Mai statt, musste in diesem Jahr aber aufgrund der Corona-Einschränkungen verschoben wurden. Dabei betonten die beiden Gesandten Silvio Kus und Rudoph Rainer von der kroatischen und der deutschen Botschaft (Kroatien hatte die EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2020 inne, Deutschland ist in der zweiten Jahreshälfte Vorsitzland) die Bedeutung des europäischen Einigungsprozesses, gerade auch wegen Herausforderungen, wie sie die Pandemie des Jahres 2020 darstellt. Alfred Tombor-Tintera, Consul Primus der Weinritterschaft, erinnerte in Bezug auf den Paneuropa-Gründer Richard Coudenhove-Kalergi an die Aufgabe des Staates, den Menschen zu dienen und ihre Freiheit zu fördern.

Botschaft des Picknicks gilt auch für Belarus

Beim anschließenden Paneuropa-Weinpicknick sprachen neben Repräsentanten des Weinritterordens auch der Vizekanzler des St. Georgs-Orden Peter Harold und Rudolf Strommer vom Europaforum Burgenland. Rainhard Kloucek, Generalsekretär der Paneuropabewegung Österreich, verwies auf die Botschaft, die damals Walburga Habsburg Douglas für ihren Vater Otto von Habsburg vorgetragen hatte, und verlas nun seinereits, 31 Jahre später, eine Botschaft der Vizepräsidenten der Paneuropa-Union, die sie zwei Tage zuvor zu den Ereignissen in Belarus formuliert hatte:

„Schon der Gründer der Paneuropa-Union Richard Coudenhove-Kalergi hat festgehalten, dass die Freiheit die Identität Europas prägt. Diese Freiheit muss immer wieder von neuem erkämpft werden, sie kommt nicht von alleine. Das tun momentan die Bürger von Belarus. Dafür müssen wir ihnen dankbar sein, denn die Freiheit, die von den Bürgern in Belarus erkämpft wird, hat auch Auswirkungen auf unsere Freiheit. Unsere Aufgabe ist es, die Weißrussen in diesem Kampf für Freiheit und Demokratie zu unterstützen, wo immer wir das können. In wenigen Tagen begehen wir den 31. Jahrestag des Paneuropäischen Picknick, das den Anfang vom Ende des Eisernen Vorhanges eingeläutet hat. Mit Lukashenko herrscht in Belarus noch immer in Mann des alten Sowjetapparats, ein „homo sowjeticus“, ein Mann des Eisernen Vorhangs. Die Bürger von Belarus sind gerade dabei den letzten Teil dieses Eisernen Vorhangs zu beseitigen.“

In einer Online-Diskussion, an der sich Persönlichkeiten aus mehreren europäischen Ländern und Japan beteiligten, führten dann drei Vertreter der Paneuropa-Jugend ein Interviewgespräch mit der Vizepräsidentin der Paneuropa-Union. Raphael Stangl von der Paneuropa-Jugend Österreich, Iryna Prodan aus der Ukraine und Fernando Garcia konzentrierten sich in ihren Fragen einerseits auf die Geschichte des Picknicks, andererseits auch auf die heute noch gültige Botschaft der damaligen Veranstaltung.

Für die Paneuropa-Union war die Überwindung des Eisernen Vorhanges ein klar definiertes Ziel. „Es war klar, dass der Eiserne Vorhang nicht für die Ewigkeit gebaut war“, formulierte Walburga Habsburg Douglas. Persönlich war die Familie Habsburg immer wieder an der Grenze, da Regina von Habsburg aus jenem Teil Deutschlands stammte, der dann sowjetisch besetzte Zone wurde. Beim Picknick vor 31 Jahren war natürlich in der Vorbereitung nicht klar, was passieren würde. Es gab keine Informationen darüber, wie die sozialistischen „Bruderländer“ Ungarns reagieren würden. Aber das Picknick war offiziell genehmigt. Noch am Tag vor dem Picknick hatte Walburga mit ihrem Vater telefoniert, der riet: „Mach nichts was ich nicht machen würde“, also ein klares: sei vorsichtig. Als dann immer mehr Leute von der ungarischen Seite an die Grenze kamen, die Deutsch sprachen, also offensichtlich aus der DDR kamen (in Ungarn gab es damals schon Flüchtlingslager für Bürger der DDR), war klar, dass „da etwas Großes passieren wird“, erinnert sich die heutige Vizepräsidentin der Paneuropa-Union.

Für Paneuropa geht es auch um die Wertefrage

Gefragt, wie sie denn die Entwicklung der heutigen EU beurteilte, antwortete sie, dass sie natürlich nicht mit allem glücklich sei, was heute in der Politik passiere. Als Negativbeispiel nannte sie den Austritt Großbritanniens. Schon damals, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, hätten manche gemeint, jetzt brauche es wohl die Paneuropa-Union nicht mehr. Aber für Paneuropa geht es eben nicht nur die geografische Dimension Europas sondern auch um eine inhaltliche. Paneuropa steht für ein klares Wertekonzept.

Auch Totalitarismus und Nationalismus verschwinden nicht, wie aktuelle Entwicklungen zeigen. Diese Übel gelte es immer wieder zu bekämpfen. Mit dem Paneuropäischen Picknick verbunden war auch die klare Botschaft der Freiheit (Otto von Habsburg sprach in seiner damaligen Botschaft vom „Morgenrot der Freiheit“), wie Walburga Habsburg Douglas betonte. Und sie gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Demonstrationen in Belarus zu einem Ende der Herrschaft von Alexander Lukashenko führe. So wie damals beim Picknick zeigen die Bürger von Belarus nun, dass sie keine Angst mehr haben.