Migration und Sicherheit

Unter dem Titel CITIMIG (Citizens Looking for Multidimensional Migration Challenges) führt die Paneuropabewegung Österreich gemeinsam mit neun Partnern ein Projekt durch, das vom Programm „Europa der Bürger“ kofinanziert wird. Die Auftaktveranstaltung wurde online durchgeführt.

Europa der Bürger“ ist ein Programm der Europäischen Kommission, bei dem sich in einem Teilprogramm Organisationen der sogenannten Zivilgesellschaft mit Projekten bewerben können. Jedes Jahr findet dazu eine Ausschreibung statt, in der die Kriterien für die Bewerbung definiert werden. Die Paneuropabewegung Österreich war bereits Partner in Projekten, die unter diesem Titel gefördert wurden. Zuletzt im Projekt JOCICEF (Joint Citizen Forces – Common European Future), das von der Paneuropa Bewegung Slowenien durchgeführt wurde. Die Abschlusskonferenz fand Ende Februar 2019 in Wien statt (siehe dazu „Paneuropa“ 02/2019).

Im Vorjahr reichte dann die Paneuropabewegung Österreich selbst (mit neun Partnern aus Montenegro, Slowenien, Spanien, Frankreich, Ungarn, Dänemark, Belgien und Italien) ein Projekt unter dem Titel CITIMIG (Citizens Looking for Multidimensional Migration Challenges) ein. Anfang des Jahres kam die erfreuliche Nachricht, dass dieses Projekt von der Kommission positiv bewertet wurde. In einer Reihe von Konferenzen in mehreren europäischen Ländern sollten die verschiedenen Dimensionen und Herausforderungen der Migration diskutiert werden. Es sollte also nicht nur um die sogenannte Flüchtlingswelle gehen, und deren Folgen, sondern mit einer klaren Unterscheidung zwischen Asylsuchenden, Flüchtlingen und Migranten nicht nur über die Zuwanderung aus Afrika und Asien diskutiert werden, sondern auch die Aspekte der innereuropäischen Migration besprochen werden.

Social Media wurden zur Bewerbung genutzt.

Das Datum für die Auftaktkonferenz im slowenischen Marburg war bereits fixiert, doch dann kam Covid-19. Alle Veranstaltungen mussten einmal abgesagt werden. Die ursprüngliche Auftaktveranstaltung wurde in den September verschoben. Die zweite, in Podgorica in Montenegro, geplante Konferenz sollte nun den Auftakt geben. Letztlich musste diese Konferenz als Online-Konferenz durchgeführt werden. Noch bestand damals die Hoffnung, die dann in Marburg folgende Konferenz könnte als echte Konferenz mit persönlicher Teilnahme organisiert werden, doch die verschiedenen Maßnahmen der Regierungen mit diversen Einschränkungen brachten das Ergebnis, dass auch diese Konferenz online durchgeführt werden musste. Ein Bericht dazu folgt in der nächsten Ausgabe von „Paneuropa“.

Schwerpunkt Südosteuropa

Ziel der ersten Online-Konferenz war es, die EU-Migrationspolitik – soferne vorhanden – zu diskutieren und insbesondere Aspekte der Sicherheitspolitik in der Region Südosteuropa (die Konferenz hätte in Montenegro stattfinden sollen) zu erörtern. In drei Panels diskutierten der ehemalige österreichische Außenminister Michael Spindelegger, der nun Generalsekretär beim International Center for Migration Policy Development ist, Daniela Irrera von der Universität Catania (Sizilien), Gordan Akrap vom Hybrid Warfare Research Institute in Kroatien, Marko Savic von der Universität von Montenegro, der EU-Beitrittsverhandler aus Montenegro Milos Radonjic und Karl von Habsburg. Moderiert wurden die Panels von Caroline Hungerländer von der Paneuropa-Jugend in Österreich (sie ist auch Gemeinderatsmitglied in Wien), Lovro Klinar von der Paneuropa Bewegung Slowenien und Teodora Ladjic von der Paneuropa-Union Montenegro.

Die Bürger erwarten von der Politik Lösungen

Für Michael Spindelegger ist die Verbindung zwischen Migration und Sicherheit eine der großen politischen Herausforderungen. Ein Thema nicht nur für Experten, sondern auch für die Bürger, die hier von der Politik klare Lösungen erwarten. Vor der Corona-Krise sagte in Umfragen eine Mehrheit, Migration sei ihre Hauptsorge. 50 Prozent sagten, der Schutz der Außengrenzen ist nicht ausreichend. 60 Prozent meinten, die politische Reaktion auf die Migration reiche nicht aus. Corona hat zwar den Fokus verändert, aber Migration bleibt als Thema, auch wenn es durch die Grenzschließungen zu einem Rückgang des Zuzugs kam.

Es fehlt eine europäische Strategie

Allerdings, so Spindelegger, kam es sofort nach den Lockerungen zu einem erneuten Zuzug. In Wien war die Zahl der Asylsuchenden im Juni 2020 höher als im Juni 2019. Das Problem sieht der frühere Außenminister in einer fehlenden europäischen Strategie. Wobei Migration ein junges Thema in der EU-Politik ist. Vor 20 Jahren, also schon zehn Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, war sie das erste Mal Thema bei einer Ratssitzung. Frontex, der erste Ansatz zu einem gemeinsamen europäischen Grenzschutz, wurde erst 2005 geschaffen. Nun soll die Agentur aufgestockt und ausgebaut werden. Nach wie vor gibt es verschiedene Zuständigkeiten, die so manche Probleme verursachen. So sind die Mitgliedsstaaten für Einwanderungsfragen zuständig, aber es gibt europäische Regulierungen.

Positionen der Länder sind unterschiedlich

Spindelegger bringt dazu das Beispiel eines Nigerianers, der in Österreich kein Asyl bekommen hat, und in einem Rückführungsprogramm war. Er hätte in Nigeria auch einen Arbeitsplatz gehabt. Österreich arbeitet mit den Behörden in Nigeria zusammen. Zurück in Nigeria ist der Mann aber nie an seinem Arbeitsplatz erschienen. Stattdessen hat er sich sofort auf den Weg nach Deutschland gemacht. Dort hat er sich an eine Agentur gewandt, innerhalb von zwei Tagen geheiratet, und sofort wieder um Asyl angesucht. Damit fängt nun in Deutschland der ganze Prozess wieder von vorne an.

Die Findung eines gemeinsamen europäischen Ansatzes gestaltet sich nach wie vor schwierig, weil die Positionen der Länder völlig unterschiedlich sind. Das zeigt auch die Idee der Verteilung der Flüchtlinge. Es gibt zwar einen gültigen Beschluss dazu, der aber ist nicht durchsetzbar, weil einige Länder strikt dagegen sind. Noch wird über einen neuen Migrationspakt auf EU-Ebene verhandelt. Der hätte schon im März kommen sollen, nun ist die Entscheidung auf den Herbst verschoben. Der Pakt wird aber nur Prinzipien festlegen und noch keinen gesetzlichen Rahmen definieren.

Neues Prozedere an der Außengrenze

Geplant ist ein neues Prozedere an der Außengrenze, für das die Schweiz Vorbild ist. Innerhalb kurzer Zeit soll feststehen, ob jemand überhaupt eine Chance auf Asyl hat. In der Schweiz wird innerhalb von 48 Stunden festgestellt, ob eine Chance auf Asyl besteht. Wenn nicht, werden die Leute sofort zurückgeschickt. Für Spindelegger braucht es daher neue Ansätze in der Rückführung. 40 Prozent der Asylwerber bekommen kein Asyl, aber von den Abgelehnten bleiben 60 Prozent trotzdem da. Ein Zustand, so der Generalsekretär beim International Center for Migration Policy Development, der nicht unbedingt rechtsstaatlichen Kriterien entspricht.

Aber immerhin: 2004 gab es sechs Rückübernahmeabkommen, jetzt sind es 17, weitere sechs werden verhandelt. Seit 2011 gibt es ein EU Asyl-Büro. „Langsam geht es weiter.“

Daniela Irrera behandelt das Thema aus akademischer Sicht. Auch da wird es sehr kontroversiell diskutiert. Der entscheidende Punkt aus ihrer Sicht ist aber die politische Willensbildung. 2011, in Folge des sogenannten Arabischen Frühling, wurde die Operation Mare Nostrum geschaffen, um Flüchtlinge im Mittelmeer zu retten. Die Mission war klar als humanitäre Aktion definiert, sie war aber extrem teuer. Dann gab es eine neue Mission, nun stellt sich die Frage, ob der Wille zu einer politischen Lösung vorhanden ist.

Die Militarisierung der Grenzen

Schon 2011, so die Universitätsprofessorin, wurde die Migrationsfrage vor allem als Sicherheitsfrage diskutiert. Das hat dann zugenommen. Eines der Hauptprobleme für sie ist die zunehmende Militarisierung der Grenzen. Also der Einsatz von Militär für grenzpolizeiliche Aufgaben. Immer mehr Länder setzen Militär an der Grenze ein, ein Trend, der bei der Schließung der EU-Binnengrenzen im Zuge der Pandemie weiter verstärkt wurde.

Ein zweites Problem hängt für Irrera mit den Rückführungsprogrammen zusammen. Das sind freiwillige Programme. Es hängt also vom Willen der Migranten ab. Die finanziellen Unterstützungen, die die Rückkehrer bekommen, können allerdings auch genutzt werden, um wieder nach Europa zu kommen. Daniela Irrera zitiert die schwedische EU-Kommissarin Ylva Johansson, die sagte, wir brauchen Verbesserungen. „Wir brauchen viel mehr als nur Verbesserungen“, ergänzt Irrera. Wenn es um die Integration geht, dann hat für sie der Arbeitsmarkt eine große Bedeutung, da könnte auch die europäische Ebene eine wichtigere Rolle spielen.

Speziell auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen der Migration ging Gordan Akrap vom Hybrid Warfare Research Institute in Kroatien ein. Um dieser Herausforderung begegnen zu können ist es für Akrap aber wichtig genau zu definieren, was genau man unter Asyl und Migration versteht. Migration findet praktisch immer statt.

Was ist Asyl, was ist Migration?

Das wirkliche Problem ist die illegale Migration, die ein riesiges Geschäftsfeld darstellt, hinter dem nicht nur kriminelle, sondern auch terroristische Strukturen stehen. Mit Grenzkontrollen alleine, so der Experte, könne dieses Problem nicht unter Kontrolle gebracht werden. Dazu braucht es einen gesamtpolitischen Ansatz, von der staatlichen über die nichtstaatliche bis zur akademischen Ebene. Nachrichtendienste spielen da eine bedeutende Rolle, weil es unter anderem um Hintergrundinformationen aus den Ursprungsländern der Migranten geht.

Lösungen liegen auch ausserhalb der EU

Lösungen für das Problem liegen deshalb auch außerhalb der Grenzen der EU. Für Akrap ist unter anderem wichtig, die Verbindungen zwischen den kriminellen Netzwerken in den Herkunftsländern und den Zielländern zu identifizieren und auch zu zerschlagen. Beschäftigt sich die Politik nur mit den Folgen der Migration, dann führt das zu keiner Lösung der Probleme, dann, so Akrap, werde das Migrationsthema für parteipolitische Spielchen missbraucht. Das ist dann die Stunde der Populisten.

Um die Verbindung zwischen illegaler Migration und möglicher terroristischer Aktivitäten zu unterstreichen verwies er auf den Bataclan-Anschlag in Frankreich. An dem Terrorakt waren Personen beteiligt, die in der großen Migrantenwelle 2015 nach Europa kamen. In der Diskussion wurde dann darauf verwiesen, dass dieser Anschlag nicht der einzige war, an dem Verbrecher beteiligt waren, die den Weg der illegalen Migration genutzt hatten, um nach Europa zu kommen.

Kämpfe zwischen den Zuwanderern

In seinem Heimatland Kroatien ist man unter anderem mit illegaler Migration an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina konfrontiert. Über Bihac versuchen immer wieder Illegale nach Kroatien und dann weiter in den Schengen-Raum zu kommen. Das stellt für die Region eine sicherheitspolitische Herausforderung dar, weil es immer wieder zu aufgebrochenen Häusern und Konflikten (auch zwischen den verschiedenen Gruppen der illegalen Zuwanderer) kommt. Wie der Experte berichtet, gibt es da auch Kämpfe untereinander, die zum Teil mit Toten enden. Viele der Papiere sind gefälscht. Deshalb ist es notwendig, die wahre Identität der Personen zu klären. Stellt man ihnen im Vertrauen neue Papiere aus, so nutzen sie die, um ihre wahre Identität zu verschleiern.

Überwachung nur unter strenger Aufsicht

Gefragt, ob er angesichts dieser Aufgaben für mehr und stärkere Überwachungsmethoden plädiere (die dann die Gefahr des Überwachungsstaates steigern) meint Gordan Akrap: Überwachungsinstrumente sind auch für die Prävention notwendig, aber immer nur unter strenger politischer, rechtlicher und zivilgesellschaftlicher Aufsicht, damit es zu keinem Missbrauch kommt. Die EU, so sein Plädoyer, brauche einen eigenen Nachrichtendienst, der dann mit seinen Informationen Entcheidungsgrundlagen für die Politik liefern kann. Die schon bestehende Zusammenarbeit müsse ausgebaut werden.

Mit verschiedenen historischen und politischen Effekten der Wanderungsbewegungen setzte sich Marko Savic von der Universität von Montenegro auseinander. In früheren Jahrhunderten gab es große Wanderungsbewegungen, die aus Europa hinaus geführt haben. Eine große Flüchtlingsbewegung kam nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ungarn. Für Marko Savic ist es ungewöhnlich, dass ein Land, aus dem selbst viele Leute geflüchtet sind, dann so restriktiv gegen Flüchtlinge vorgeht. Auch auf dem Balkan gab es immer wieder massive Wanderungsbewegungen – zuletzt während des Krieges in den 90er Jahren –, sodass jedes Land Erfahrung mit Einwanderung und Auswanderung hat.

Wanderungen verändern das Gesicht der Länder

Solche Wanderungsbewegungen verändern das Gesicht der Länder, sie sind auch Nährboden für Populisten. Menschen, die Politikern skeptisch gegenüberstehen, sind auch ablehnender gegen Migration. Auch wenn Montenegro nicht Mitglied der EU ist (derzeit aber mit guten Fortschritten über den Beitritt verhandelt), entspricht die Gesetzgebung zur Migrationsfrage mittlerweile Großteils den EU-Regeln.

Den Abschluss der Konferenz bildete ein zweitägiger Workshop.

Ein Beispiel, wie Hilfen für Flüchtlinge missbraucht werden können, bringt Gordana Djurovic, die Präsidentin der Paneuropa Union Montenegro. Während der Vertreibungen im Zuge der Kriege in Ex-Jugoslawien kamen natürlich auch Flüchtlinge nach Montenegro. Die Regierung hat teilweise Flüchtlinge mit Geld unterstützt, damit sie nach dem Krieg in ihre Heimat zurückkehren können und ihre Häuser neu bauen bzw. renovieren können. Zum Teil kamen dann Flüchtlinge nach einer gewissen Zeit wieder, sie hatten die Hilfen genutzt, um ihre Häuser verkaufen zu können.

Überraschte Politiker trotz Studien

Karl von Habsburg berichtete von einer Studie, die in den Jahren 2008 bis 2010 in einer interdisziplinären Kooperation von mehreren Universitäten unter Führung der Universität von Tel Aviv über das Potenzial von Migranten aus Nord-Afrika und dem Nahen Osten für die Zeit von 2010 bis 2025 erstellt wurde. Dabei kam eine Zahl von zirka 15 Millionen Menschen zusammen. Vergleicht man das mit der sogenannten Flüchtlingskrise, dann war das nur ein Teil davon. Zur Zeit der Erstellung der Studie wusste man aber auch noch nichts von dem Krieg in Syrien. 2015 haben viele Politiker gesagt sie wurden überrascht. Wären sie in der Privatwirtschaft in einer Firma, wären sie gefeuert worden, weil sie nicht vorbereitet waren, obwohl es Studien dazu gab, so der Präsident der Paneuropabewegung Österreich mit einer harten Kritik an den politischen Entscheidungsträgern.

Eine Frage von Angebot und Nachfrage

Auch er trat dafür ein, bei den Begriffen für Klarheit zu sorgen, da Flüchtlinge und Migranten klar unterschieden werden müssen. Wirtschaftsmigration, so hielt er fest, ist auch die Frage von Angebot und Nachfrage. Wenn es die Nachfrage nach Migration nach Europa gibt, dann wird es ein Angebot für Menschenschmuggler geben, die ihren Preis verlangen.

Das zynische Geschäft der Schlepper

Die betreiben ein recht zynisches Geschäft. Bei Aufenthalten in Libyen konnte sich Karl von Habsburg ein Bild von den Flüchtlingsbooten machen, die dort für die Überfahrt gebaut werden. Die werden so gebaut, so sein Befund, dass sie es gerade in internationale Gewässer schaffen. Dann gehen die Schlepper davon aus, dass die Migranten von Rettungsschiffen gerettet werden und nach Europa gebracht werden. „Das sind Einwegboote, die keinen leistungsfähigen Motor haben.“

Für unglaubwürdig hält Karl von Habsburg Ankündigungen über die Schließung von Migrationsrouten. „Wer heute sagt wir stoppen die Migration, der kennt die Gesetze der Physik nicht. Wenn man Wasser wo hinunterfließen lässt, dann fließt es hinunter. Wird ein Hindernis aufgebaut, dann sucht es sich einen anderen Weg. Das ist auch so bei der Migration. Wird eine Route kontrolliert oder gar dicht gemacht, dann suchen die Migranten andere Wege.“ Das sei auch bei der Schließung der sogenannten Balkan-Route zu beobachten gewesen.

Migration kontrollieren

Gänzlich verhindern lasse sich Migration nicht, es geht darum sie zu kontrollieren. Das ist die Herausforderung für die Politik. Es geht darum – und darin sieht der Paneuropa-Präsident eine der Aufgaben der Paneuropabewegung –, das europäische Wertesystem zu erhalten.

Österreich, und hier besonders Wien, waren immer Punkte, wo Menschen hingewandert sind, was allein schon aus der geografischen Lage logisch ist. Wien ist im 19. Jahrhundert durch Zuwanderung massiv gewachsen. Die Leute kamen, um zu arbeiten, sie mussten sich selbst und ihre Familien selber ernähren. Damit war der Druck auch groß genug, sich über den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Integration über den Arbeitsmarkt

Während des Kalten Krieges war Wien dann eine sehr verschlafene Stadt, weil die Grenzen zu den meisten Nachbarn dicht waren. Wien war das Ende einer Reise. Die Zuwanderung, die es gab, waren die Gastarbeiter, die aber gezielt geholt wurden. Und politische Flüchtlinge aus dem ehemaligen Ostblock. Aufgrund der Kriege in Ex-Jugoslawien kamen danach viele Menschen aus Südosteuropa. Allerdings gab es da einen gemeinsamen historisch-kulturellen Hintergrund, was die Integration leichter gemacht hat.

Heute gibt es viele öffentlich finanzierte Programme für Zuwanderer, was den Druck zur wirtschaftlichen Integration genommen hat. Viele dieser Programme bieten alle Informationen noch dazu in den Heimatsprachen der Zuwanderer an. Über Fernsehprogramme aus ihrer ursprünglichen Heimat, in ihrer Muttersprache, ist ein zusätzliches Angebot vorhanden, das die Motivation zur sprachlichen Integration senkt.

Angleichung der Sozialsysteme

Die beschlossene (und nicht durchgesetzte) Verteilung der Migranten ist für Karl von Habsburg auch eine Frage der Sozialsysteme in den unterschiedlichen europäischen Ländern. Da sind einige sehr attraktiv, andere nicht. Damit sind einige Länder immer attraktiver für Zuwanderung. Europa als Ganzes kann mit der Migration zurechtkommen, aber einzelne Länder können das nicht. Damit das funktioniert muss man aber die Sozialsysteme angleichen.

Um die Sicherheit im Zusammenhang mit der Migration zu verbessern fordert Karl von Habsburg eine Stärkung des Schengen-Systems, gemeinsame europäische Grenzkontrolle an den Außengrenzen, sowie eine stärkere Zusammenarbeit der Nachrichtendienste und der Polizei. Die Politik muss auf eine künftige Flüchtlingswelle vorbereitet sein.

Rahmen für Freiheit muss erhalten bleiben

Von Forderungen nach mehr Überwachungsstaat hält er nichts. Der Staat muss Sicherheit herstellen, aber er muss auch den Rahmen für die persönliche Freiheit geben. Das ist in Krisen eine heikle Aufgabe. Das hat man auch bei den Einschränkungen durch Covid-19 gesehen. Da gab es viele Ideen für Apps zur Kontrolle. Er selber betrachtet das mit großer Skepsis. Denn, wenn solche Einrichtungen zur Kontrolle einmal geschaffen sind, dann werden sie normalerweise nicht wieder abgebaut.

Den Abschluss der zweitägigen Online-Konferenz bildete ein Workshop, das von Severin Gruber von der Paneuropa-Jugend Österreich und Dejan Hribar, dem Generalsekretär der Paneuropa Bewegung Slowenien, moderiert wurde.