Frankreich bleibt sozialistisch

Emmanuel Macron wird der nächste Präsident Frankreichs. Alles andere gilt als ausgeschlossen. Der sozialistische Irrweg des Landes geht damit in die Verlängerung. Ein Kommentar von Rainhard Kloucek

Frankreich hat den Etatismus und den Zentralismus offenbar erfunden. Selbst die sogenannten bürgerlichen oder konservativen Parteien setzen auf den paternalistischen Wohlfahrtsstaat. Wobei diese Politik heute kein Alleinstellungsmerkmal Frankreichs mehr ist. Die Sozialisten in allen Parteien (um eine Anleihe bei Friedrich August von Hayek zu nehmen) dominieren mittlerweile die Politik (sowohl in den Regierungsparteien als auch in der Opposition – einzelne Politiker sind eine Ausnahme).

So gesehen war Francois Fillon für Frankreich eine Ausnahme. Unter den Kandidaten für die erste Runde war er der einzige, der sich für eine Reduzierung des Staatsapparates und für eine Sanierung der Staatsfinanzen ausgesprochen hat. Getragen wurde sein Sieg bei den parteiinternen Vorwahlen offenbar durch eine erstarkende christliche Bewegung im laizistischen Frankreich. Das Parteiestablishment hat Fillon sofort fallen gelassen, als die ersten Geschichten einer Scheinanstellung seiner Frau sowie über sehr teure Anzugsgeschenke bekannt wurden. Daß er es trotzdem geschafft hat, ohne Unterstützung der Partei und sogar gegen den Willen der Parteiführung, noch Großkundgebungen durchzuführen, ist ein weiterer Beleg dafür, daß die politische Landschaft in Frankreich in Bewegung ist.

Für die Stichwahl hat es nicht gereicht. Die wird nun zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron ausgetragen. Le Pen fällt durch eine aggressive nationalistische und antieuropäische Wortwahl auf und wird daher oft als rechts bezeichnet. Das Beispiel aber zeigt, daß das alte rechts-links Schema längst überholt ist. So mancher Kandidat ihres Front National kommt aus dem sozialistischen Lager. Die Partei vertritt, so wie übrigens die meisten nationalistischen Parteien, aber beispielsweise eine sozialistische Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der Horizont ist im Gegensatz zu den internationalen Sozialisten auf die eigene Nation beschränkt.

Emmanuel Macron gilt nach französischen Politikkennern als der Kandidat des noch regierenden Präsidenten Francois Hollande. Der wußte, daß er bei einem neuerlichen Antreten untergehen würde. Mit dem Kandidaten seiner eigenen sozialistischen Partei war er nicht einverstanden. So kam es zur Kandidatur des „unabhängigen“ Technikraten Macron.

Hollande gilt als mächtiger Strippenzieher in der Kampagne gegen Fillon. Wie französische Politikkenner meinen, kamen die Informationen gegen Fillon direkt aus dem Büro von Hollande. Demnach scheint Fillon der einzige Kandidat gewesen zu sein, vor dem die Sozialisten eine gewisse Gefahr für eine eigene Mehrheit ausgehen sahen. Nach der ersten Runde der Präsidentenwahl haben praktisch alle politischen Kräfte außer dem Front National zur Wahl von Macron aufgerufen. Ein Sieg von Le Pen wäre also nicht nur eine gigantische Überraschung, sondern hätte auch unabsehbare Folgen.

Noch ein weiteres Detail dieser ersten Runde der Präsidentenwahl ist erwähnenswert. Alle Parteien außer dem Front National haben interne Vorwahlen für den Kandidaten durchgeführt. Macron ist nicht als Parteikandidat angetreten, sondern tritt unter dem Deckmantel der Unabhängigkeit auf. In der Stichwahl sind nun jene beiden Kandidaten, die sich keiner Stichwahl gestellt haben. Das wird jedenfalls sehr spannend für die im Sommer stattfindenden Parlamentswahlen in Frankreich.

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