Italien in Europa: Was die Wahl bringen kann

Italien sucht nach klaren Verhältnissen. Die Nationalratswahlen am 4. März haben dennoch bereits ein Stabilitätsfaktor, namens Europa. Eine Analyse von Luca Marconcini.

Mit einem neuen Wahlsystem wählt die italienische Bevölkerung am nächsten Sonntag, dem 4. März, ein neues Parlament. Das 2017 vom Parlament verabschiedete Wahlrecht sieht vor, dass zwei Drittel der Sitze nach Verhältniswahlrecht und ein Drittel nach Mehrheitswahlrecht in Regionalwahlkreisen verteilt werden. Eine Ausnahme davon bildet der Regionalwahlkreis von Trentino-Südtirol, wo nach dem Mehrheitswahlrecht zwei Drittel der Mandatare gewählt werden. Dies ist in der italienischen Verfassung zu begründen, laut dessen Artikel 6 es Aufgabe des Staates ist, durch spezifische Bestimmungen die Sprachminderheiten im Staatsgebiet zu schützen. Eine gute parlamentarische Vertretung Südtirols in Rom dient nicht nur zur Umsetzung des Autonomiestatutes dieser Region im Herzen Europas liegend, sondern vor allem auch zur Stärkung der positiven Beziehungen zwischen zwei wichtigen europäischen Staaten wie Österreich und Italien.

Eine Woche vor der Wahl scheint die Situation unentschieden zu sein. Drei große Blöcke rennen um eine Regierungsbeteiligung. Die von der Demokratischen Partei (PD) geführte Mitte-Linkskoalition, die Fünf- Sterne-Bewegung und die Mitte-Rechtskoalition ringen um eine Mehrheit in den beiden Kammern des italienischen Parlaments.

Die absolute Mehrheit wird mit einem Stimmenanteil von 40 Prozent in beiden Kammern erreicht. Laut vorläufigen Prognosen würde die Fünf-Sterne-Bewegung als stimmenstärke Partei am Sonntag ausgehen, mit knapp 28 Prozent der Stimmen und noch keinem deklarierten Koalitionspartner für eine künftige Regierungsbildung. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die stärkste Partei im Parlament die Opposition führen wird.

Mit einem zugerechneten Stimmenanteil von fast 27 Prozent scheint die Koalition um die Renzis Partito Democratico noch weit entfernt von der Absolute zu sein. Bedenklich sei der Vertrauensverlust seit dem Europawahlsieg vor weniger als 4 Jahren, als der junge Parteiobmann Renzi die PD über 40 Prozent führte.

Spannend wird es Mitte-Rechts, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen wird der von Berlusconi gebildeten Koalition eine absolute Mehrheit der Sitze in beiden Kammern mit sehr höher Wahrscheinlichkeit zugerechnet. Zum anderen könnte es innerhalb dieser Koalition zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Berlusconis Forza Italia und der Lega kommen. Es ist jedoch noch nicht Zeit zu behaupten, dass es im Fall eines Stimmenvorsprunges der Alliierten des französischen Front National in der Mitte-Rechtskoalition eine Regierung unter der Führung vom Parteichef Salvini in Italien geben wird.

Wiewohl seine Leistungen umstritten scheinen, hat er doch ohne Zweifel Italiens Parteienlandschaft durcheinandergewürfelt: Beppe Grillo. Von Niccolò Caranti - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23246728

Wiewohl seine Leistungen umstritten scheinen, hat er doch ohne Zweifel Italiens Parteienlandschaft durcheinandergewürfelt: Beppe Grillo.
Von Niccolò Caranti – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23246728

Einerseits sucht Italien in der Wahlurne nach klaren Verhältnissen und Stabilität, andererseits ist eine proeuropäische Ausrichtung aller Parteien in diesem Wahlkampf klar ablesbar. Nach vielen Jahren dominiert von Ankündigungen eines Austrittes aus der Währungsunion, bereitet sich die Bewegung um den Komiker Grillo auf eine mögliche Regierungsbeteiligung durch eine proeuropäische Wende und die Befürwortung eines bürgernahen Europa vor. Antieuropäische Sprüche sind auch, vor allem nach der Wahlschlacht der französischen Schwesterpartei, in der national neu geprägten Lega nicht mehr so oft zu hören. All die großen Parteien in diesem Wahlkampf sind sich zu einem europäischen Thema einig, nämlich die Reduktion der illegalen Zuwanderung über die Mittelmeerroute.

Die Bürgerinnen und Bürger in Italien werden am Sonntag ihre parlamentarische Vertretung wählen und erst danach können die Parteien versuchen, dem Land eine stabile und durchsetzungsfähige Regierung zu geben. Es scheinen nun noch alle Szenarien offen und es werden auch Überraschungen geben dürfen, wobei eine klar proeuropäische Ausrichtung der nächsten Regierung vielleicht als einzige Konstante betrachtet werden kann. Eine rasche Regierungsbildung nach der Wahl wäre für die Fortsetzung des Reformwegs in Italien notwendig und würde seine Rolle in Europa stärken.

Luca Marconcini stammt aus Norditalien und lebt in Wien. https://twitter.com/lukamarc

 

Luca Marconcini stammt aus Norditalien und lebt in Wien.
https://twitter.com/lukamarc