Es kann nur einen geben

Provoziert Viktor Orban gerade seinen Rauswurf aus der EVP? Ein Kommentar von Rainhard Kloucek

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban kann in seinem Heimatland auf große Unterstützung zählen. Das liegt nicht nur an einer fehlenden Opposition, das liegt auch an der Stärke seiner Politik, die ganz tief mit der ungarischen Grundstimmung übereinstimmt. 100 Jahre nach Trianon (Friedensvertrag mit Ungarn, nach dem Ersten Weltkrieg, Anmerkung) wird der Effekt noch durch historische Vergleiche unterstützt. Denn schon damals war ja der Rest der Welt gegen Ungarn, und hat dem Land zwei Drittel seiner historischen Größe genommen.

So inszeniert sich auch Viktor Orban in der heutigen Zeit gerne als der wahre Beschützer des Ungarntums. Die Ungarn wiederum sehen sich als die einzigen Retter des christlichen Abendlandes, weil sie dem Ansturm der moslemischen Migranten standhalten. In dieser Beschützerrolle attackiert man gerne immer wieder die EU-Kommission und deren Präsidenten. Wobei es wohl sehr viele Gründe gibt Juncker und auch seinen Vize Timmermans zu kritisieren. Regierungskampagnen gegen eine tragende Institution der EU, der man selber angehört, und deren Strukturfonds man keinesfalls missen möchte, bringen allerdings eine neue Qualität in die politische Auseinandersetzung. Viktor Orban ist ganz sicher nicht dumm. Also ist die Frage wohl erlaubt: wovon will er ablenken? Oder: was will er damit erreichen?

Erreichen will er ganz bestimmt, dass seine Beliebtheitswerte in Ungarn und bei seinen Fans außerhalb des Landes hoch bleiben. Dazu muss er im Gespräch bleiben. Die Provokation ist ein gutes Stilmittel dazu. Erreichen tut er aber damit auch, dass sich seine Parteienfamilie, die EVP, mit ihm beschäftigen muss. Das kann in einem Wahlkampf unangenehm werden, denn irgendwann kommt man nicht mehr mit den eigentlichen Themen durch, sondern muss sich permanent mit einem eher kleinen Land in der Mitte Europas beschäftigen, auf das man sich in vielen Fällen gar nicht mehr verlassen kann. Man denke an die Goldenen Visa für reiche Russen (inklusive Geheimdienst), die Einflussnahme für China oder die freundlichen Beziehungen zu Erdogan. So kann man keine strategische Europapolitik machen.

Und damit ist die Frage, ob die EVP nicht ganz einfach einmal einen Schlussstrich zieht, und Orban hinauswirft. Oder, ob Orban nicht so klug ist, dass er diesen Rauswurf gerade provoziert. Immerhin, es würde in die Strategie passen: die anderen wollen Ungarn doch nur Böses.

Auch wenn seine Partei Fidesz in Ungarn eine Zweidrittel-Mehrheit hat, ist sie innerhalb der EVP nur ein Spieler im Mittelfeld. Heraus aus der EVP aber wäre Orban ein begehrter Partner für alle sogenannten Rechtspopulisten. Da wäre er auf einmal ein wirklich starker Anführer auf europäischer Ebene, noch dazu in einem Umfeld, das ihn ohnehin schon seit einiger Zeit als einen der Ihren betrachtet. Welch Triumpf könnte das 100 Jahre nach Trianon werden.

c Beitragsbild: European Union 2017 Etienne Ansotte