Die Macht der Atomwaffen

Der Bruch des Budapester Memorandums durch Russland hat auch Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit des Atomsperrvertrages. Ein Veranstaltungsbericht von Paneuropa-Generalsekretär Rainhard Kloucek.

Der 25. Jahrestag des Budapester Memorandums (im Dezember 1994 unterzeichnet) war Anlass für eine Bewertung dieses Abkommens und seine heutige Bedeutung angesichts der Aggression Russlands gegen die Ukraine. Organisiert von „Unlimited Democracy – Verein zur Förderung der Demokratisierung“ diskutierten der stellvertretende OSZE-Botschafter der Ukraine Igor Lossovskiy, der frühere ukrainische Außenminister und einstige Botschafter der Ukraine in Wien Volodymyr Ohryzko, sowie Andreas Umland vom Institut für euro-atlantische Kooperation.

Das Budapester Memorandum wurde von den USA, Russland, Großbritannien und der Ukraine geschlossen. Als Gegenleistung für die Garantie der Grenzen verzichtete die Ukraine damals auf ihe Atomwaffen. Volodymyr Ohryzko verwies darauf, dass die Ukraine nach dem Zerfall des Sowjetreiches die drittgrößte Atommacht war. Die USA und Russland machten massiven Druck auf die gerade unabhängig gewordene Ukraine, die Atomwaffen zu zerstören. Die Ukraine wollte dafür eine Entschädigung und vor allem Sicherheitsgarantien. Entschädigung, so Ohryzko, gab es wenig, und die Sicherheitsgarantie sollte das Budapester Memorandum bringen.

Im englischen Text des Memorandums, darauf wies Igor Lossovskiy hin, ist von „assurance“ die Rede, was schwächer als eine Garantie ist. In der russischen und ukrainischen Übersetzung allerdings kommt das Wort Garantie vor. Russland berufe sich auch darauf, dass das Memorandum gar nicht gültig sei, da es nicht ratifiziert wurde. Allerdings, und darauf wies der stellvertretende OSZE-Botschafter hin, ist in dem Vertrag klar geregelt, dass das Memorandum durch Unterschrift gülitg werde. Und auf noch eine Besonderheit wies Lossovskiy hin: die Medaille für die russischen Soldaten, die an der Besetzung der Krim beteiligt waren, trägt das Datum 20. Februar 2014.

Der 20. Februar 2014 und die Medaille

Die Besonderheit des Datums griff Andreas Umland auf. Denn dieser Tag war der blutigste im Rahmen der Revolution der Würde. Zahlreiche Menschen wurden durch Scharfschützen hingerichtet. Viktor Janukowitsch war als Präsident noch im Amt. Erst ein paar Tage später floh er aus der Ukraine. Die Annexion der Krim war also unabhängig vom Schicksaal des Moskau-Verbündeten Janukowitsch.

Umland betonte noch einen weiteren Punkt des Budapester Memorandums und seines Bruchs durch Russland, der Auswirkungen auf die heutige Politik hat. Das Memorandum wurde auch von Großbritannien unterzeichnet, das nicht Teil der Verhandlungen war. Großbritannien war aber einer der Mitbegründer des Atomwaffensperrvertrages.

Eine Dimension des Memorandums war die Verhinderung einer weiteren Verbreitung von Atomwaffen. Die Ukraine gab dieses Waffenarsenal ab. Und Umland stellte die Frage, ob Moskau wohl die Krim annektiert hätte, wenn dafür das Risiko eines vernichtenden Angriffes auf Moskau gegeben gewesen wäre. Russland hingegen war und ist im Besitz von Atomwaffen. Der Westen konnte nicht – so wie bei den Kriegen am Balkan – eingreifen und die Aggression zurückschlagen. Moskau konnte also aufgrund des Besitzes von Atomwaffen sein Territorium erweitern. Damit, so Andreas Umland, wurde die Logik des Atomwaffensperrvertrages auf den Kopf gestellt.

Das Beitragsbild zeigt die drei Redner bei der Veranstaltung von Unlimited Democracy. Von links: Dr. Andreas Umland vom Institut für euro-atlantische Kooperation, der stellvertretende OSZE-Botschafter der Ukraine Dr. Igor Lossovskiy, und der frühere ukrainische Außenminister und einstige Botschafter der Ukraine in Wien Volodymyr Ohryzko.