Das ist kein Friedensplan

Der Friedensplan für die Ukraine, der keiner ist. Einige Kommentare zu den 28 Punkten des angeblichen US-Friedensplans für die Ukraine. Kommentiert von Rainhard Kloucek

  1. Die Souveränität der Ukraine wird bestätigt.

Bestätigt ist die Souveränität der Ukraine bereits durch die Auflösung der UdSSR Ende 1991 und durch die diverse andere Verträge wie das Budapester Memorandum, das auch von Moskau unterzeichnet wurde. Nur hat sich Moskau an keinen dieser Verträge gehalten.

  1. Zwischen Russland, der Ukraine und Europa wird ein umfassendes Nichtangriffsabkommen geschlossen. Alle Unklarheiten der vergangenen 30 Jahre gelten als beigelegt.

Das Verbot von Angriffskriegen ist bereits in der UN-Charta verankert. Gibt es internationale Verträge, die über der UN-Charta stehen? Was soll ein Abkommen, das nur wiederholt, was bereits internationales Recht ist?

  1. Es wird erwartet, dass Russland keine Nachbarländer angreift und die Nato sich nicht weiter ausdehnt.

Moskau hat mit der Unterzeichnung der UN-Charta bereits bestätigt, dass es keine Angriffskriege führen wird. Moskau hat sich an keinen solchen Vertrag gehalten.

  1. Ein Dialog zwischen Russland und der Nato wird unter Vermittlung der USA geführt, um alle Sicherheitsfragen zu lösen und Bedingungen für Deeskalation zu schaffen, um die globale Sicherheit zu gewährleisten sowie Möglichkeiten für Zusammenarbeit und künftige wirtschaftliche Entwicklung zu verbessern.

Einen Russland-Nato-Dialog gab es bereits. Und zwar vor der militärischen Aggression Moskaus gegen seine Nachbarländer. Er hat keine Bedeutung mehr, weil Moskaus Imperialismus ihn zerstört hat. Aufgrund welcher Fakten sollte nun ein neuer Dialog mehr Erfolg bringen?

  1. Die Ukraine erhält verlässliche Sicherheitsgarantien.

Spannend. Aber welche?

  1. Die Größe der ukrainischen Streitkräfte wird auf 600.000 Soldaten begrenzt.

Das Kriegsopfer soll also seine Verteidigungsfähigkeit aufgeben?

  1. Die Ukraine erklärt sich bereit, in ihrer Verfassung zu verankern, dass sie nicht der Nato beitritt, und die Nato stimmt zu, in ihren Statuten festzuhalten, dass die Ukraine künftig nicht aufgenommen wird.

Es ist das Recht der Nato, einem Land den Beitritt zu verweigern. Einem Land aber vorzuschreiben, dass es in seiner Bündnisfreiheit eingeschränkt wird, und dies auch in seiner Verfassung zu verankern habe, widerspricht allen geltenden internationalen Verträgen, die die Bündnisfreiheit eines souveränen Staates garantieren. Der Punkt ist ein klarer Widerspruch zu Punkt 1.

  1. Die Nato verpflichtet sich, keine Truppen in der Ukraine zu stationieren.

Das ist das Recht der Nato. Warum die Nato diesen Punkt akzeptieren sollte, ist aber unklar.

  1. Europäische Kampfjets werden in Polen stationiert.

Einverstanden.

  1. 10.US-Garantie
    – Die USA erhalten eine Kompensation für ihre Garantie.
    – Greift die Ukraine Russland an, verliert sie die Garantie.
    – Greift Russland die Ukraine an, erfolgt neben einer entschlossenen, koordinierten militärischen Antwort die vollständige Wiedereinführung aller globalen Sanktionen; die Anerkennung des neuen Territoriums und alle sonstigen Vorteile dieses Abkommens werden aufgehoben.
    – Startet die Ukraine ohne Anlass einen Raketenangriff auf Moskau oder St. Petersburg, wird die Sicherheitsgarantie ungültig.

Sieht sich die USA als einzige Garantiemacht? Was ist die entschlossene militärische Antwort? In dem Punkt ist alles sehr vage.

  1. 11.Die Ukraine ist für eine EU-Mitgliedschaft berechtigt und erhält kurzzeitigen bevorzugten Zugang zum europäischen Markt, solange diese Frage geprüft wird.

Die Ukraine hat Kandidatenstatus, womit klar ist, dass sie das Recht auf EU-Beitritt hat. Der Punkt mit dem bevorzugten Zugang zum europäischen Markt ist interessant, weil gerade die besten Verbündeten der USA in Europa, nämlich Ungarn und Polen vehement gegen die Öffnung es Agrarmarktes sind. Was also soll mit diesem Punkt aus US-Sicht bezweckt werden?

  1. 12.Ein umfassendes globales Maßnahmenpaket zum Wiederaufbau der Ukraine, einschließlich aber nicht beschränkt auf:
    a. Schaffung eines Ukraine-Entwicklungsfonds zur Investition in schnell wachsende Industrien wie Technologie, Rechenzentren und künstliche Intelligenz.
    b. Die USA arbeiten mit der Ukraine zusammen, um die ukrainische Gasinfrastruktur — einschließlich Pipelines und Speicher — gemeinsam wiederaufzubauen, zu entwickeln, zu modernisieren und zu betreiben.
    c. Gemeinsame Anstrengungen zur Wiederherstellung kriegsbetroffener Gebiete für die Sanierung, den Wiederaufbau und die Modernisierung von Städten und Wohngebieten.
    d. Infrastrukturentwicklung.
    e. Abbau von Mineralien und natürlichen Ressourcen.
    f. Die Weltbank entwickelt ein spezielles Finanzierungspaket, um diese Maßnahmen zu beschleunigen.

Kein Problem.

  1. 13.Russland wird wieder in die globale Wirtschaft integriert:
    a. Die Aufhebung der Sanktionen wird schrittweise und Fall für Fall diskutiert und vereinbart.
    b. Die USA gehen ein langfristiges wirtschaftliches Kooperationsabkommen ein, das die gemeinsame Entwicklung in den Bereichen Energie, natürliche Ressourcen, Infrastruktur, künstliche Intelligenz, Rechenzentren, Projekte zum Abbau seltener Erden in der Arktis sowie weitere gegenseitig vorteilhafte Geschäftsmöglichkeiten umfasst.
    c. Russland wird eingeladen, der G8 wieder beizutreten.

Wunderbar. Moskau wird für seinen Vernichtungsangriff belohnt, die UN-Charta wird von allen Kräften, die diesen Punkt befürworten, als sinnlos erklärt.

  1. 14.Die eingefrorenen Gelder werden wie folgt verwendet: 100 Mrd. USD eingefrorener russischer Vermögenswerte werden in von den USA geführte Wiederaufbau- und Investitionsmaßnahmen in der Ukraine investiert. Die USA erhalten 50 % der Gewinne aus diesem Projekt. Europa gibt weitere 100 Mrd. USD hinzu, um das verfügbare Investitionsvolumen für die Ukraine zu erhöhen. Der Rest der eingefrorenen russischen Gelder wird in ein separates US-russisches Investitionsvehikel eingebracht, das gemeinsame Projekte in bestimmten Bereichen umsetzt. Der Fonds soll die Beziehungen stärken und gemeinsame Interessen erhöhen, um einen starken Anreiz gegen ein Wiederaufflammen des Konflikts zu schaffen.

Da geht es um die Geschäftsinteressen einiger US-Firmen. Das hat nichts mit westlicher Wertegemeinschaft zu tun. Europa kann sich das nicht gefallen lassen.

  1. 15.Eine gemeinsame amerikanisch-russische Arbeitsgruppe für Sicherheitsfragen wird eingerichtet, um die Einhaltung aller Bestimmungen dieses Abkommens zu fördern und zu überwachen.

Meinen Washington und Moskau wirklich, dass sie die Welt sicherheitspolitisch zwischen sich aufteilen können? Das erinnert zu sehr an die Politik der Großmächte aus längst vergangenen Zeiten.

  1. 16.Russland wird seine Nichtangriffspolitik gegenüber Europa und der Ukraine gesetzlich verankern.

Russland hat schon so viel gesetzlich verankert. Wer sich seriös mit der Politik Moskaus beschäftigt weiß, dass Moskau sich selbst nicht an Verträge gebunden fühlt. Das zeigt die Geschichte.

  1. 17.Die USA und Russland vereinbaren eine Verlängerung der Verträge über die Nichtverbreitung und Kontrolle von Atomwaffen, einschließlich des START-I-Abkommens.

Okay.

  1. 18.Die Ukraine erklärt sich bereit, in Übereinstimmung mit dem Atomwaffensperrvertrag ein nichtnuklearer Staat zu sein.

Das wurde bereits durch das Budapester Memorandum vereinbart, welches durch Moskau gebrochen wurde.

  1. 19.Das Kernkraftwerk Saporischschja wird unter Aufsicht der IAEO in Betrieb genommen, und der erzeugte Strom wird zu gleichen Teilen zwischen Russland und der Ukraine aufgeteilt — 50:50.

Die Wiederaufnahme des Betriebes des AKW unter Aufsicht der IAEO ist sinnvoll. Warum aber soll Russland die Hälfte des produzierten Stroms bekommen?

  1. 20.Beide Länder verpflichten sich zur Umsetzung von Bildungsprogrammen in Schulen und der Gesellschaft zur Förderung von Verständnis und Toleranz gegenüber unterschiedlichen Kulturen und zur Beseitigung von Rassismus und Vorurteilen:
    a. Die Ukraine übernimmt die EU-Regeln zur religiösen Toleranz und zum Schutz sprachlicher Minderheiten.
    b. Beide Länder vereinbaren, alle diskriminierenden Maßnahmen abzuschaffen und die Rechte ukrainischer und russischer Medien sowie des Bildungswesens zu garantieren.
    c. Jede Form nationalsozialistischer Ideologie und Aktivitäten muss abgelehnt und verboten werden.

Die Ukraine ist bereits durch die Beitrittsgespräche zur EU verpflichtet, alle EU-Standards, und damit internationale Vereinbarungen einzuhalten. Inkludiert sind da die Bestimmungen über die Wiederbetätigung im Sinne der Nazi-Ideologie. Hier hat Moskau wesentlich mehr Verbesserungsbedarf. Auch Russland sollte verpflichtet werden, die europäischen Standards zum Schutz von Volksgruppen und Minderheiten zu akzeptieren (auch wenn es keinen Grund für die Annahme gibt, dass eine solche Verpflichtung auch nur irgendwelche Relevanz für Moskau hätte).

  1. 21.Territorien:
    a. Krim, Luhansk und Donezk werden de facto als russisch anerkannt, einschließlich durch die USA.
    b. Die Kontaktlinie bei Cherson und Saporischschja wird eingefroren, was de facto einer Anerkennung entlang dieser Linie bedeutet.
    c. Russland gibt weitere vereinbarte Gebiete außerhalb der fünf Regionen auf, die es derzeit kontrolliert.
    d. Die ukrainischen Streitkräfte ziehen sich aus dem Teil der Oblast Donezk zurück, den sie derzeit kontrollieren. Diese Rückzugszone gilt als neutralisierte, entmilitarisierte Pufferzone und wird international als Gebiet anerkannt, das der Russischen Föderation gehört. Russische Kräfte werden diese Zone nicht betreten.

Das steht im Widerspruch zu Absatz 1.

  1. 22.Nach Einigung über die zukünftigen territorialen Regelungen verpflichten sich sowohl die Russische Föderation als auch die Ukraine, diese nicht mit Gewalt zu verändern. Sicherheitsgarantien gelten nicht im Falle eines Bruchs dieser Verpflichtung.

Klingt nach einer Kapitulation der USA und der internationalen Staatengemeinschaft, die damit akzeptieren, dass sich Angriffskriege lohnen. In Peking freut man sich wohl schon angesichts der Absicht, Taiwan zu erobern.

  1. 23.Russland wird die Ukraine nicht daran hindern, den Dnipro für kommerzielle Tätigkeiten zu nutzen, und es werden Vereinbarungen über den freien Transport von Getreide über das Schwarze Meer getroffen.
  2. 24.

Klingt nett, aber wie soll das funktionieren? Die Sprengung des Staudammes war bereits verboten, hat aber Moskau nicht daran gehindert, es zu tun. Wie soll eine derartige Vereinbarung zur Nutzung des Dnipro gesichert werden? Was das Schwarze Meer betrifft: Odesa hat jetzt schon unter Einhaltung aller internationalen Verträge das Recht zum Zugang zu internationalen Gewässern. Wenn Russland sich bisher nicht an geltendes Recht gehalten hat, warum sollte es sich nun daran halten. Es stellt sich auch die Frage, wie die anderen Schwarzmeeranrainerstaaten zu diesem Punkt stehen.

  1. 25.Ein humanitärer Ausschuss wird eingerichtet, um offene Fragen zu klären:
    a. Alle verbleibenden Gefangenen und Leichen werden nach dem Prinzip „alle gegen alle“ ausgetauscht.
    b. Alle zivilen Gefangenen und Geiseln, einschließlich der Kinder, werden zurückgeführt.
    c. Ein Programm zur Familienzusammenführung wird umgesetzt.
    d. Maßnahmen zur Linderung des Leids der Opfer des Konflikts werden ergriffen.

Klingt plausibel.

  1. 26.Die Ukraine wird innerhalb von 100 Tagen Wahlen abhalten.

Die Frist ist kurz. Ab wann sollte sie gelten. Wer garantiert, dass Moskau nicht dazwischenfunkt.

  1. 27.Alle an diesem Konflikt beteiligten Parteien erhalten vollständige Amnestie für ihre Handlungen während des Krieges und verpflichten sich, künftig keine Ansprüche geltend zu machen oder Beschwerden zu erheben.

Der Punkt widerspricht allen internationalen Vereinbarungen gegen Kriegsverbrechen. Moskaus Mörderbande wird damit straffrei gestellt. Damit wird das Selbstverständnis des freien Westens ad acta gelegt. Verbrechen lohnen sich (wieder).

  1. 28.Dieses Abkommen ist rechtsverbindlich. Seine Umsetzung wird vom Friedensrat unter Vorsitz von Präsident Donald J. Trump überwacht und garantiert. Bei Verstößen werden Sanktionen verhängt.

Ein Abkommen ist nur dann sinnvoll, wenn es rechtsverbindlich ist. Was soll ein Friedensrat unter Vorsitz von Präsident Trump sein? Das klingt nach Eitelkeit.

  1. 29.Sobald alle Parteien diesem Memorandum zustimmen, tritt der Waffenstillstand sofort in Kraft, nachdem beide Seiten sich auf die vereinbarten Positionen zurückgezogen haben, um mit der Umsetzung des Abkommens zu beginnen.

Was wohl kaum passieren wird.

Dieser Friedensplan hat mit Frieden nichts zu tun. Moskau wird für seinen Angriff belohnt, die USA wollen sich die Zuckerln finanzieller Art herausholen, Europa inklusive der Ukraine sollen zahlen. Selbst wenn es Nachbesserungen gibt (über die bereits gesprochen wird) ist das keine vernünftige Grundlage für Verhandlungen. Europa muss endlich erwachsen werden. Eine unabhängige Ukraine ist im Interesse Europas. Die außen- und sicherheitspolitische Dimension Europas muss gestärkt werden, die transatlantische Partnerschaft kann nur auf Augenhöhe funktionieren.

Quelle für den „Friedensplan“: https://www.diepresse.com/20328280/trumps-28-punkte-plan-fuer-die-ukraine-im-wortlaut?brid=VBiR3JXKdaFp-LuF7ybXCQ