In einer feierlichen Zeremonie wurde in Wien der diesjährige Europapreis Coudenhove-Kalergi an die Präsidentin der Republik Kosovo Vjosa Osmani Sadriu verliehen. In den Reden ging es um die Notwendigkeit, die europäischen Werte auch zu verteidigen. Für den Kosovo, so die Preisträgerin, ist klar, dass es ein Ziel gibt, und das ist die Mitgliedschaft in der Europäischen Union.
Bereits 1992, darauf wies die diesjährige Coudenhove-Preisträgerin, die Präsidentin der Republik Kosovo Vjosa Osmani Sadriu, gleich am Anfang ihrer Dankesrede hin, habe der spätere Gründungspräsident des unabhängigen Staates Kosovo Ibrahim Rugova in Wien, im gleichen Saal, in dem nun die Verleihungszeremonie des Europapreises Coudenhove-Kalergi stattfand, darauf hingewiesen, dass Appeasement gegenüber Diktatoren niemals zu einem dauerhaften Frieden führen würde.
1992 hatte der serbische Kriegsverbrecher Slobodan Milosevic bereits seine Serie von Kriegen gegen fast alle damals schon selbständig gewordenen Teile Jugoslawiens losgetreten. Der Traum eines Großserbien fand seinen Höhepunkt gegen Ende der 90erJahre mit dem Beginn eines Genozidversuches gegen die Kosovaren. Dann reichte es der westlichen Welt, und die Nato beendete mit einem gezielten und präzisen Einsatz den Krieg am Balkan, der fast ein Jahrzehnt gedauert hatte.
An eine Rückkehr des einst autonomen Gebietes Kosovo unter die Herrschaft Belgrads war nicht mehr zu denken, der Weg in die Selbständigkeit praktisch vorgezeichnet. Wie lange sich aber die Saat des Bösen hält zeigt die heutige destruktive Politik des serbischen Präsidenten Alexander Vucic gegenüber der Republik Kosovo. Im Regime von Milosevic war Vucic Propagandaminister.
Fast 300 Gäste – Paneuropäer, Mitglieder der Europagesellschaft, Diplomaten, Angehörige der Kosovo-Diaspora in Wien und Österreich, etc. – waren in den großen Festsaal im Haus der Industrie zur Verleihungszeremonie des Europapreises gekommen. Zu den Klängen der Europahymne und der Kosovo Hymne zogen die Preisträgerin und der Vorsitzende der Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi Nikolaus von Liechtenstein in den Saal ein.
Herausforderungen für den Westbalkan
Die folgenden Reden – von der Begrüssungsrede durch den Generalsekretär der Industriellenvereinigung Christoph Neumayer über die Einleitungsrede durch den Präsidenten der Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi Nikolaus von Liechtenstein, der Festrede des Ehrenpräsidenten der Paneuropabewegung Österreich Karl von Habsburg, der Laudatio durch den Europaparlamentarier Lukas Mandl bis hin zur Rede von Staatspräsidentin Vjosa Osmani Sadriu – ging es dann um die europäische Einigung generell, die speziellen Herausforderungen für die Länder Südosteuropas (heute Westbalkan genannt), die Fragen von Demokratie, Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit bis hin zur Verteidigung der europäischen oder westlichen Werte gegen die Angriffe aus Russland und China. Moderiert wurde die Veranstaltung von Severin Meister, der vom Vorstand der Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi zum neuen Generalsekretär der Gesellschaft designiert wurde.

Einzug der Staatspräsidentin und Europapreisträgerin mit dem Präsidenten der Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi in den großen Festsaal im Haus der Industrie in Wien, wo die Verleihungszeremonie stattfand.
Nikolaus von Liechtenstein unterstrich in seiner Einleitungsrede die Bedeutung der Arbeit und der Ideen von Paneuropa-Gründer Richard Coudenhove-Kalergi für die europäische Einigung, speziell aber für die heute bestehenden Herausforderungen. Als ein Beispiel für das die Präsidentin der Republik Kosovo steht nannte er den Einsatz für die Rechtsstaatlichkeit, die so wichtig für die Erhaltung der Würde der Menschen ist.
Rechtsstaatlichkeit und Bekenntnis zu Werten
„Es geht um Werte“ betonte der Ehrenpräsident der Paneuropabewegung Österreich Karl von Habsburg (hier geht es zu seiner Rede) in seiner Festrede. Dabei spannte er den Bogen von der Verleihung des Europapreises Coudenhove-Kalergi an den Kosovo-Gründungspräsidenten Ibrahim Rugova bis zum Beitrittsantrag der Republik Kosovo zur Europäischen Union. Rugova wiederum stand in einer engen persönlichen und politischen Freundschaft zu Otto von Habsburg. Bereits vor dem Europapreis Coudenhove-Kalergi wurde Ibrahim Rugova mit dem Sacharow-Preis für die Meinungsfreiheit ausgezeichnet. Den Europapreis erhielt er im Jahr 2004.
Ein Jahr davor fand in Thessaloniki ein EU-Gipfeltreffen statt, bei dem den Ländern des Westbalkan der Beitritt in die Europäische Union in Aussicht gestellt wurde. Der damalige Ansatz, durch die Beitrittsperspektive Stabilität in die Region zu bringen gilt auch heute noch, auch wenn in der Erweiterungspolitik für die Region die Fortschritte überschaubar sind. Habsburg kritisierte in dem Zusammenhang die derzeit vorherrschende Politik der Stabilokratie.
Stabilokratie bringt keine Stabilität
Damit ist eine Politik gemeint, die auf Stabilität der Regime abzielt, dabei aber Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Hintergrund treten lässt. „Das ist keine Stabilität“, kritisierte Habsburg und spielte damit vor allem auf die Lage in Serbien an.
Europa habe in den vergangenen 100 Jahren mehrfach Neustrukturierungen erlebt. 1918 mit dem Ende des Ersten Weltkrieges, 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Teilung Europas, schließlich 1989 das Ende des Eisernen Vorhangs und danach auch das Ende der Sowjetunion und des Warschauer Paktes. Europa hat damals begonnen die Friedensdividende zu kassieren und Investitionen in die eigene Sicherheit vernachlässigt. Sicherheitspolitisch blieb man von den USA abhängig, die Balkankriege konnten nur durch ein Eingreifen der USA beendet werden.
Geopolitisch hatte sich Europa abgemeldet. Doch, so Karl von Habsburg, in Europa müsse man die Frage stellen, ob „wir unsere eigene Zukunft gestalten oder nur Passagiere im Zug der Geschichte sein wollen“. Über lange Zeit wollte niemand zur Kenntnis nehmen, dass Vladimir Putin Energie als Waffe einsetzt. Er will Moskau wieder zur Weltmacht machen, und hat deshalb auch schon in Syrien so massiv eingegriffen.
China erhebt den Anspruch Weltmacht Nummer 1 zu werden. Wobei China mit einer stark alternden Gesellschaft konfrontiert ist. China könnte also alt werden, bevor es reich ist. Moskau und Peking haben ganz andere Vorstellung von der Welt, als wir sie in der westlichen Welt kennen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist für Karl von Habsburg nicht nur ein Krieg zwischen zwei Ländern, sondern ein Krieg zwischen verschiedenen Ideologien. Moskau führt auf ukrainischem Boden einen Krieg gegen die westlichen Werte, gegen Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit.
Die Erfolge der Ukraine – wobei Habsburg darauf hinwies, dass es auch in der Ukraine nicht nur Erfolge gibt und noch einige Problembereiche zu bereinigen sind – wurden zur Gefahr für Moskau. Die Entwicklung der Ukraine als postsowjetischer Staat im Vergleich zum postsowjetischen Staat Russland war eine Gefahr für das Herrschaftssystem Putin.
Wenn Europa Freiheit will, muss es sie verteidigen
Wenn Europa weiter in Freiheit leben will, dann müsse Europa für seine Werte auch kämpfen, hielt Karl von Habsburg fest. Dazu gehört auch eine klare Definition, was mit der Unterstützung der Ukraine erreicht werden soll. Das Gerede von, wir unterstützen die Ukraine so lange es nötig ist, ist eine Verhinderung einer klaren Zieldefinition. Die müsse lauten: Wiederherstellung der Ukraine in den völkerrechtlich anerkannten Grenzen, Reparationszahlungen durch Russland, und ein Regierungswechsel in Moskau. Denn Europa habe ein Interesse an einem friedlichen Nachbarn im Osten.
Aber nicht nur Russland stellt eine Bedrohung für Europa und die westliche Welt dar, sondern auch China. Peking sagt ganz klar, dass es andere Vorstellungen von Menschenrechten oder auch Eigentumsrechten hat, als dies derzeit Standard ist. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gibt es im chinesischen System nicht.
Die Republik Kosovo steht klar für die europäischen Werte, betonte der Ehrenpräsident der Paneuropabewegung Österreich. Das zeige sich auch bei der Politik der Sanktionen gegen Russland, die von Pristina mitgetragen werden. Der Europapreis Coudenhove-Kalergi ist für ihn eine Anerkennung nicht nur für diese Politik der Kosovo-Präsidentin, sondern auch für die Menschen des Landes.
Preis sollte Motivation für Kandidatenstatus sein
Vor zweieinhalb Jahren, so schloss Habsburg seine Rede, habe die Präsidentin im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung 100 Jahre Paneuropa im gleichen Saal angekündigt, den Beitrittsantrag zur Europäischen Union zu stellen. Der erfolgte dann am 15. Dezember 2022. „Wir alle hoffen, dass dieser Europapreis nicht nur eine Anerkennung der Politik der Republik Kosovo unter Präsidentin Osmani Sadriu ist, sondern auch eine Motivation für die Europäische Union, den Kandidatenstatus zuzuerkennen, um die Beitrittsverhandlungen beginnen zu können!“
2018, im Europäischen Parlament, sei er, Lukas Mandl (hier geht es zu seiner Laudation), das erste Mal auf Präsidentin Osmani aufmerksam geworden. Es war eine Sitzung des gemeinsamen Ausschusses Europäisches Parlament und Kosovo Parlament, an dem der Europaparlamentarier Lukas Mandl und die damalige Abgeordnete des Kosovo-Parlamentes Vjosa Osmani Sadriu teilgenommen haben. Die nunmehrige Staatspräsidentin sei ihm ob ihrer visionären, zukunftsorientierten Rede über ihre Heimat aufgefallen, so Lukas Mandl in seiner Laudatio.
Die ausgebildete Juristin, die nun die sechste Präsidentin der Republik Kosovo ist, war davor die erste weibliche Sprecherin des Kosovo-Parlamentes, und hatte als Kind den Krieg Serbiens gegen den Kosovo miterleben müssen. Sie ist damit ein Staatsoberhaupt, das auch weiß worum es geht, wenn über Krieg geredet wird.

Die Preisträgerin und Staatspräsidentin Vjosa Osmani Sadriu mit ihrem Ehemann (links von ihr) und Paneuropa-Gratulanten. Von links: Pavo Barisic, Präsident der Paneuropa-Union; Arber Prenaj, Präsident von Paneuropa Kosovo; Heinz Wimpissinger, Generalsekretär der Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi; Nikolaus von Liechtenstein, Präsident der Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi; Lukas Mandl, Mitglied des Europäischen Parlaments; Karl von Habsburg, Ehrenpräsident der Paneuropabewegung Österreich; Severin Meister, designierter Generalsekretär der Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi; Carlos Uriarte Sanchez, Präsident von Paneuropa Spanien; Rainhard Kloucek, Präsident der Paneuropabewegung Österreich; Dominik Oberhofer, Abgeordneter zum Nationalrat und Mitglied im Präsidium der Paneuropabewegung Österreich. Nicht auf dem Bild ist der Präsident der Paneuropa-Union Ukraine Ihor Zhaloba, der ebenfalls an der Festveranstaltung teilgenommen hat.
Die Republik Kosovo ist wie die Republik Österreich ein kleines Land. Kleine Länder brauchen gute internationale Beziehungen, so der Laudator. Diese Arbeit sei eine der Stärken der Coudenhove-Preisträgerin. Kosovo ist aber nicht nur ein kleines Land sondern auch das jüngste Land Europas. Für Lukas Mandl ist es eine Schande, sowohl für diese Länder als auch die EU, dass immer noch fünf Mitgliedsländer der Europäischen Union die Republik Kosovo nicht anerkannt haben. Der Europapreis sei eine Erinnerung, diesen Zustand zu ändern.
Präsidentin Vjosa Osmani Sadriu (hier geht es zu der Rede der Präsidentin) begann ihre Rede mit einem Dank an die vielen Unterstützer die den Weg Kosovos in die Selbständigkeit möglich gemacht haben. Explizit nannte sie die Paneuropa-Union und deren langjährigen Präsidenten Otto von Habsburg, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten aber auch Politiker wie den früheren österreichischen Außenminister Alois Mock oder den einstigen Generalsekretär im österreichischen Außenministerium Albert Rohan. „Wien“, so formulierte sie, „war damals und ist noch immer bekannt nicht nur als Hauptstadt Österreichs sondern auch als Hauptstadt Südosteuropas.“
Kosovo entstand aus dem Willen der Bürger
Kosovo, so betonte die Europapreisträgerin, ist ein Staat, der aus dem Willen der eigenen Bevölkerung entstanden ist. Es war ein harter Weg für die Menschen im Kosovo, aber trotz aller Herausforderungen war das Ziel klar. „Weil wir wissen woher wir kommen, weil wir wissen wofür wir stehen, und weil wir genau wissen wohin wir gehen. Im Kosovo gab es da nie Zweifel. Kosovo hat niemals mit anderen Mächten geflirtet. Kosovo weiß, dass es nur ein Ziel gibt, und das ist die Europäische Union.“
Ohne Kosovo ist Europa nicht vollständig
Es waren klare Worte, mit denen die Präsidentin die politischen Ziele nicht nur von ihr selbst sondern auch die der Bürger des Kosovo beschrieb. Sie glauben an ein geeintes Europa, das alle Länder umfasst, an ein Europa der Freiheit und des Friedens. Gleichzeitig forderte Präsidentin Osmani Sadriu Klarheit in dieser Zielsetzung. Denn ohne Kosovo, ohne den jüngsten Staat Europas, ist Europa nicht vollständig. Die Europäische Union ist nicht nur ein Ziel für die Kosovaren, es ist auch die Chance für die Europäische Union, mit dem Kosovo zu vollenden, was begonnen wurde, so die deutlichen Worte der Coudenhove-Preisträgerin.
Europa müsse für seine Werte und Ziele auch kämpfen, so die Präsidentin. Europa ist der Kontinent auf dem die Demokratie ihre Geburtsstätte hat. Aber Europa steht vor großen Herausforderungen. Damit sprach sie den Krieg Russlands gegen die Ukraine und damit gegen Europa an, und das aus der Perspektive eines Landes, das selbst um seine Unabhängigkeit und Freiheit kämpfen musste.
Autokratischen Tendenzen muss man entgegentreten
Sie sprach damit aber auch autokratische Tendenzen an, die sich in Europa breit machen. Demokratie dürfe man nicht als selbstverständlich annehmen, Demokratie müsse immer wieder neu belebt werden. „Europa“, so formulierte sie, „ist eine lebende Verantwortung.“ Die jetzige Generation müsse den moralischen Kompass Europas wiederherstellen. „Denn Europa ist nicht ein ferner Traum, es ist das was wir sind.“
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